Hesekiel 1

Einleitung

Die Botschaft von der Herrlichkeit Gottes


Hesekiël stammte aus einer Priesterfamilie und wurde als Dreißigjähriger am Fluss Kebar in der Nähe Babylons zum Propheten berufen. Vier Jahre vorher war er mit 10.000 anderen Juden von Jerusalem aus nach Babylon verschleppt worden. Zwei Jahre vor seiner Berufung hatten die Verbannten einen Brief des Propheten Jeremia aus dem 1300 km entfernten Jerusalem erhalten, in dem sie ermutigt wurden, sich in der Gefangenschaft einzurichten, denn sie würden insgesamt 70 Jahre lang dort bleiben müssen (Jeremia 29).

Der Prophet Hesekiël empfing seine Botschaft hauptsächlich in Visionen und gab sie in Gleichnisreden und -handlungen wieder. Er ist der einzige der großen Propheten, der seine Weissagungen genau datiert. Sein Dienst begann 593 v.Chr. und dauerte mindestens 22 Jahre bis 571 v.Chr.

Vor der völligen Zerstörung Jerusalems predigte er Gericht und Buße (bis Kapitel 32), danach aber wurde er zum Tröster und Prediger von Hoffnung und Zuversicht, denn bis ins letzte Detail beschrieb er Israels künftigen Ruhm und Glanz (Kapitel 33-48). Sein Leitmotiv ist die Herrlichkeit Gottes. Kein anderer Prophet benutzte so viele Bilder und visuelle Hilfsmittel wie er. Hesekiël schrieb die empfangenen Botschaften und Erfahrungen selbst nieder.



Wie der Prophet im Exil zuerst Gericht und Umkehr predigt, dann aber zu einem Verkündiger der Hoffnung Israels wird.
 1  In meinem 30. Lebensjahr [1] , am 5. Juli [1] , befand ich mich unter den Verbannten am Fluss Kebar [1] . Da öffnete sich der Himmel und ich sah Erscheinungen Gottes  2  An diesem Tag [2] – es war das fünfte Jahr, nachdem König Jojachin in die Verbannung geführt [2] worden war –  3  kam das Wort Jahwes zu mir, dem Priester Hesekiël Ben-Busi im Land der Chaldäer am Fluss Kebar. Dort legte Jahwe seine Hand auf mich

Die Herrlichkeit Jahwes

 4  Da sah ich plötzlich einen Sturm herantoben. Er kam aus dem Norden. Und ich sah eine mächtige Wolke, ein zusammengeballtes Feuer, das von einem strahlenden Glanz umgeben war. Mitten im Feuer glänzte es wie Gold  5  Dort erblickte ich vier Lebewesen, die wie Menschen aussahen  6  Doch hatte jedes von ihnen vier Gesichter und vier Flügel  7  Ihre Beine standen gerade, aber ihre Fußballen waren wie die eines jungen Stiers. Sie funkelten wie geglättetes Kupfer  8  Unter ihren Flügeln hatten sie an allen vier Seiten Menschenhände. Alle vier hatten Gesichter und Flügel;  9  und mit den Enden der ausgespannten Flügel berührten sie sich gegenseitig. Sie konnten sich in alle Richtungen bewegen, ohne sich umzudrehen  10  Jedes der vier Lebewesen hatte vorn das Gesicht eines Menschen, rechts das eines Löwen, links das eines Stiers und hinten das eines Adlers  11  Zwei ihrer Flügel waren nach oben hin ausgespannt und berührten die des anderen Wesens. Und zwei verhüllten ihren Körper  12  Sie gingen, wohin der Geist es wollte, und keines von ihnen musste sich dabei umdrehen  13  Mitten zwischen den Lebewesen war etwas, das aussah wie brennende glühende Kohlen und wie Fackeln, deren Feuer zwischen ihnen hin- und herzuckte. Das Feuer leuchtete hell, und Blitze schossen aus ihm  14  Auch die Lebewesen selbst liefen hin und her. Es sah aus wie ein Wetterleuchten  15  Als ich die Lebewesen näher betrachtete, sah ich an der Vorderseite von jedem ein Rad, das den Boden berührte  16  Alle Räder waren gleich gebaut und funkelten wie Edelsteine. Es sah aus, als ob ein Rad mitten im anderen wäre,  17  sodass sie nach allen vier Richtungen laufen konnten, ohne gedreht zu werden  18  Ihre Felgen hatten eine gewaltige Höhe und waren furchtbar anzusehen: Sie waren alle vier voller Augen  19  Wenn die Lebewesen sich fortbewegten, bewegten sich auch die Räder mit ihnen, und wenn sie sich von der Erde erhoben, erhoben sich auch die Räder  20  Sie gingen, wohin der Geist es wollte. Die Räder hoben sich immer mit den Lebewesen, denn sie wurden von ihrem Geist bewohnt  21  Ganz gleich, ob sie sich bewegten oder stillstanden oder sich von der Erde erhoben – die Räder taten dasselbe, denn der Geist der Lebewesen lenkte sie  22  Über den Köpfen der Lebewesen war etwas ausgebreitet, das wie eine Wölbung [22] aussah, wie funkelndes Eis, furchteinflößend  23  Unter der Wölbung hielten die Lebewesen je zwei ihrer Flügel ausgespannt. Mit den Enden dieser Flügel berührten sie sich gegenseitig, und mit den zwei anderen verhüllten sie ihren Körper  24  Wenn sie sich bewegten, vernahm ich das Geräusch ihrer Flügel. Es hörte sich an wie die Brandung des Meeres, wie die Stimme des Allmächtigen, wie ein hallendes Tosen, wie der Lärm eines Heerlagers. Wenn sie stillstanden, ließen sie ihre Flügel sinken  25  Doch wenn sie mit gesenkten Flügeln standen, hallte eine Stimme von oberhalb der Wölbung über ihren Köpfen  26  Denn über der Wölbung befand sich etwas, das wie ein Saphir [26] aussah, wie ein Thron, und auf dem, was wie ein Thron aussah, war eine Gestalt zu erkennen, die einem Menschen glich  27  Oberhalb von dem, was wie seine Hüften aussah, war so etwas wie helles Gold, wie Feuer, das ringsum ein Gehäuse hat. Auch unterhalb sah ich so etwas wie ein loderndes Feuer mit einem Lichtglanz darum  28  Das strahlende Licht um ihn herum sah wie der Bogen aus, der am Regentag in den Wolken erscheint. So zeigte sich die Herrlichkeit Jahwes. – Als ich das sah, warf ich mich nieder auf mein Gesicht. Dann hörte ich jemand reden.


[1]: 30. Lebensjahr. Wörtlich: Im 30. Jahr. Das bezieht höchstwahrscheinlich auf das Alter Hesekiëls. In diesem Alter konnte nach 4. Mose 4,3 ein Levit seinen Priesterdienst antreten.
Juli. Wörtlich: des 4. Monats. Zum Datum siehe unter Schaltmonat im Vorwort des Übersetzers.
Der Kebar war ein Euphrat-Kanal in der Nähe der Stadt Nippur, südlich von Babylon. Offenbar versammelten sich die verschleppten Juden dort zum Gebet.

[2]: diesem Tag. Wörtlich: am 5. des Monats.
597 v.Chr. wurde Jojachin in die Verbannung geführt. Hesekiëls Berufung fand also im Jahr 593 v.Chr. statt.

[22]: Wölbung. Hebräisch: Rakia. Das gleiche Wort wie in 1. Mose 1,6, das etwas Festes und Dünnes bezeichnet.
[26]: Saphir. Ein blauer Edelstein, der wie ein Diamant funkelt.




  















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