Richter 1

Einleitung

Wenn jeder tut, was er für richtig hält ...


Das Buch der Richter ist die Fortsetzung des Buches Josua. Es fasst alles zusammen, was nach dem Tod Josuas bis zur Zeit Samuels unter 12 Richtern geschah. Seinen Namen hat es von den Führern, die militärische und richterliche Funktionen in einzelnen Stämmen, manchmal auch für ganz Israel erfüllten. Wahrscheinlich überlappen sich die Zeiten einiger Unterdrückungs- und Richterperioden. Insgesamt können je sieben Perioden der Unterdrückung und Befreiung verfolgt werden. Geistlich gesehen kann man die Zeit am besten durch die Worte in Richter 17,6 und 21,25 wiedergeben: "Damals gab es noch keinen König in Israel. Jeder tat, was er für richtig hielt." Das Buch wurde vermutlich am Anfang der Königszeit zwischen 1040 und 1020 v.Chr. möglicherweise von Samuel geschrieben.



Wie sich in Israel die Perioden des Abfalls von Gott, Unterdrückung durch Fremde und Befreiung durch einen Richter immer wieder abwechselten.


Wie die Stämme Juda und Simeon ihr Gebiet eroberten
 1  Was nach dem Tod Josuas geschah. [1] Die Israeliten fragten Jahwe [1] : "Wer von uns soll zuerst gegen die Kanaaniter [1] in den Kampf ziehen?"  2  Jahwe antwortete: "Der Stamm Juda soll es tun! Ich gebe das Land in seine Gewalt."  3  Da sagten die Männer von Juda zu ihren Brüdern aus dem Stamm Simeon [3] : "Kommt mit und helft uns im Kampf um das Gebiet, das uns zugeteilt worden ist! Wir werden euch dann auch im Kampf um euer Gebiet helfen." Da schlossen sich die Männer von Simeon Juda an  4  Sie zogen in den Kampf und Jahwe schenkte ihnen den Sieg über die Kanaaniter und Perisiter [4] . Bei der Stadt Besek [4] schlugen sie ein Heer von 10.000 Mann  5  Dabei stießen sie auch auf deren König Adoni-Besek [5] . Als dieser merkte, dass sein Heer geschlagen war,  6  floh er. Doch sie verfolgten ihn und nahmen ihn gefangen. Dann hackten sie ihm die Daumen und die beiden großen Zehen ab  7  Da sagte Adoni-Besek: "Siebzig Könige [7] ohne Daumen und große Zehen haben unter meinem Tisch die Abfälle aufgelesen. Jetzt hat Gott mir dasselbe Schicksal bereitet." Seine Leute brachten ihn dann nach Jerusalem, wo er starb,  8  denn die Männer von Juda griffen auch Jerusalem an und eroberten es. Sie töteten die Bewohner und steckten die Stadt in Brand. [8]  9  Danach kämpften sie gegen die Kanaaniter, die das Bergland bewohnten, den Negev, das heiße Land im Süden, und die Schefela, das Hügelland im Westen  10  Anschließend griffen sie die kanaanitischen Bewohner der Stadt Hebron [10] an, die damals noch Kirjat-Arba [10] hieß, und besiegten die Sippenverbände Scheschai, Achiman und Talmai [10]  11  Dann zogen sie gegen die Stadt Debir, die damals noch Kirjat-Sefer [11] hieß  12  Dort sagte Kaleb zu seinen Truppen: "Wer Kirjat-Sefer erobert, bekommt meine Tochter Achsa zur Frau!" [12]  13  Kalebs Neffe Otniël – er war der Sohn von dessen jüngerem Bruder Kenas – eroberte die Stadt. Daraufhin durfte er Achsa zur Frau nehmen  14  Als sie ihm zugeführt wurde, rang sie ihm die Erlaubnis ab, gleich noch ein Stück Land von ihrem Vater fordern zu dürfen. Dann glitt sie von ihrem Esel, und Kaleb fragte: "Was hast du?"  15  Sie erwiderte: "Wenn du mich schon in den heißen Negev verheiratet hast, dann gib mir auch ein paar Wasserbecken als Segensgeschenk dazu!" Da schenkte ihr Kaleb die oberen und die unteren Teichanlagen bei Hebron  16  Die Nachkommen von Moses Schwager [16] , – das waren Keniter – waren mit den Männern Judas aus der Palmenstadt aufgebrochen und in das Steppengebiet gezogen, das im Süden von Arad [16] liegt. Als Halbnomaden hielten sie sich im Gebiet Judas auf  17  Dann halfen die Männer Judas ihren Stammesbrüdern von Simeon, die Kanaaniter in Zefat zu besiegen. Sie vollstreckten den Bann [17] an der Stadt und nannten sie Horma, Bann  18  Doch die Städte Gaza, Aschkelon und Ekron [18] mit den dazugehörigen Gebieten konnten die Männer Judas nicht einnehmen,  19  denn die Bewohner der Küstenebene hatten eiserne Streitwagen [19] . So konnten sie sie nicht vertreiben. Jahwe half ihnen aber, das Bergland zu erobern  20  Nach der Anordnung Moses wurde dann die Stadt Hebron Kaleb zugesprochen, der die drei Sippen der Anakssöhne [20] von dort vertrieben hatte  21  Doch die Jebusiter, die Bewohner Jerusalems, wurden auch von den Männern des Stammes Benjamin nicht vertrieben. [21] Bis heute [21] leben sie dort unter den Benjaminiten

Der Norden Kanaans wurde nur zum Teil erobert

 22  Auch die Männer der Josefstämme Efraïm und Manasse zogen los und griffen Bet-El [22] an. Jahwe stand ihnen bei  23  Zuerst erkundeten sie die Stadt, die damals noch Lus hieß  24  Als die Späher einen Mann herauskommen sahen, hielten sie ihn fest und sagten: "Wenn du uns einen Zugang in die Stadt zeigst, werden wir dich belohnen."  25  Er zeigte ihnen eine Stelle, wo sie eindringen konnten. Auf diese Weise eroberten die Männer der Josefstämme die Stadt. Sie töteten alle Einwohner mit dem Schwert, doch den Mann und seine ganze Sippe ließen sie gehen  26  Der zog daraufhin ins Land der Hetiter [26] und gründete eine Stadt, die er Lus nannte, wie sie heute noch heißt  27  Der Stamm Manasse vertrieb die Einwohner von Bet-Schean [27] , Taanach, Dor, Jibleam und Megiddo [27] und den dazugehörenden Ortschaften nicht. Die Kanaaniter setzten alles daran, in dieser Gegend wohnen zu bleiben  28  Als die Israeliten dann stärker wurden, verpflichteten sie sie zu Zwangsarbeiten, vertrieben sie aber nicht  29  Auch der Stamm Efraïm vertrieb die Kanaaniter nicht aus der Stadt Geser, denn sie hielten durch und blieben mitten in seinem Gebiet ansässig  30  Der Stamm Sebulon vertrieb die Einwohner von Kitron und Nahalal [30] nicht, sodass die Kanaaniter auch unter ihnen wohnen blieben. Später jedoch verpflichtete man sie zu Zwangsarbeiten  31  Der Stamm Ascher vertrieb die Einwohner von Akko [31] und Sidon [31] nicht, und auch nicht die von Mahaleb [31] , Achsib, Helba [31] , Afek und Rehob [31]  32  Deshalb lebten die Leute von Ascher mitten unter den Kanaanitern, die in der Gegend wohnen blieben, weil man sie nicht vertrieben hatte  33  Der Stamm Naftali vertrieb die Einwohner von Bet-Schemesch und Bet-Anat [33] nicht, sondern lebte in seinem Stammesgebiet mit den Kanaanitern zusammen. Sie mussten ihnen jedoch Zwangsarbeiten leisten  34  Als die Männer des Stammes Dan in die Ebene vordringen wollten, wurden sie von den Amoritern [34] ins Hügelland zurückgedrängt. [34]  35  Die Amoriter konnten sich in Har-Heres [35] , Ajalon und Schaalbim behaupten. Als die beiden Josefstämme später die Oberhand gewannen, verpflichteten sie sie zu Zwangsarbeiten  36  Die Grenze zum Gebiet der Amoriter verläuft von der Skorpionensteige [36] bis nach Sela [36] und darüber hinaus.






[1]: Die ersten Worte sind am besten als Überschrift über das ganze Buch der Richter aufzufassen, denn der folgende Bericht wiederholt mit weiteren Einzelheiten einige Geschehnisse bis zum Tod Josuas, die schon im Buch Josua berichtet wurden.
Jahwe. Name Gottes, der die persönliche Nähe zum Menschen ausdrückt, siehe 1. Mose 2,4.
Kanaaniter. Bewohner des Landes Kanaan auf dem Gebiet des heutigen Israel. Sie besaßen eine gemeinsame Sprache, Religion und Kultur, waren politisch aber in viele Kleinkönigtümer und Stadtstaaten zersplittert.

[3]: Simeon. Josua teilte dem Stamm Städte im Gebiet von Juda zu, siehe Josua 19,1-9.
[4]: Perisiter. Bewohner Kanaans, manche verstehen sie nicht als eigenen Stamm, sondern als die Dorfbewohner.
Besek. Ort im Stammesgebiet von Juda, vielleicht Chirbet Buzqa 6 km nordöstlich von Geser.

[5]: Adoni-Besek. Das heißt so viel wie Herr von Besek.
[7]: Könige. Kanaan war in viele kleine Stadtstaaten aufgeteilt, die von "Königen" regiert wurden.
[8]: Stadt in Brand. Offenbar hatten sie nur einen Teil der Stadt, nicht die Zitadelle erobert (siehe Vers 21). Erst 400 Jahre später, zur Zeit Davids, wurde Jerusalem endgültig für die Juden erobert.
[10]: Hebron. 35 km südlich von Jerusalem und 30 km westlich vom Toten Meer.
Kirjat-Arba. Stadt der Vier, weist auf ein altes Bündnis hin, denn Hebron bedeutet auch Bündnis.
Talmai. Nach V. 20 und 4. Mose 13,22 waren das Söhne Anaks.

[11]: Kirjat-Sefer. Stadt der Bücher (oder: der Schreiber) liegt 25 km südwestlich von Hebron.
[12]: Achsa zur Frau. Der Sieg im Kampf war eine Möglichkeit, den Brautpreis zu zahlen.
[16]: Schwager. Manche übersetzen hier: Schwiegervater. Doch die hebr. Wurzel htn kann jede Schwiegerbeziehung meinen: Schwiegervater, Schwiegersohn, Schwager. Nach 4. Mose 10,29 war Hobab der Schwager von Mose.
Arad. Stadt im Negev.

[17]: Bann. Das bedeutete meistens die vollständige Vernichtung von Menschen, Tieren und Gütern.
[18]: ... Ekron. Diese Philisterstädte bildeten mit Aschdod und Gat den Fünfstädtebund, siehe Richter 3,3.
[19]: Streitwagen. Einachsige, von Pferden gezogene schnelle Wagen, die von einem Wagenlenker, einem Bogenschützen und evtl. noch einem Schildhalter besetzt waren – die Panzer des Altertums.
[20]: Anakssöhne. Siehe Vers 10.
[21]: nicht vertrieben. Jerusalem lag an der Grenze des Stammesgebietes von Juda und Benjamin. Als Folge des vorher erwähnten begrenzten Sieges (V. 8) konnten sich die Jebusiter in der Stadt halten.
Heute – meint den Zeitpunkt der Abfassung dieses Buches, der zwischen der Krönung Sauls 1050 v.Chr. und der Eroberung durch David 1004 v.Chr. liegen muss. Das Buch der Richter blickt von der Königszeit zurück, siehe z.B. Richter 17,6.

[22]: Bet-El. Haus Gottes. Jakob hatte hier einen Altar gebaut, siehe 1. Mose 35, 1-15. Der Ort lag etwa 19 km nördlich von Jerusalem auf dem Gebirge Efraïm.
[26]: Hetiter. Eine kleinasiatische Völkergruppe, die weder in Sprache noch in Herkunft eine erkennbare Einheit bildeten. Zu dieser Zeit bestanden in Nordsyrien verschiedene hetitische Staaten.
[27]: Bet-Schean, 24 km südlich vom See Gennesaret, war eine bedeutende kanaanitische Stadt und wurde später eine Festung der Philister.
Megiddo. Bedeutende kanaanitische Stadt am Südwestrand des Jesreel-Tales. Die Festung bewachte einen wichtigen Pass, der durch die Karmel-Bergkette verlief.

[30]: Nahalal. Vermutlich Orte im Nordwesten der Ebene Jesreel
[31]: Akko. Wichtigste Hafenstadt Kanaans am Mittelmeer, später in Ptolemaïs umbenannt.
Sidon. Wichtigste Hafenstadt Phöniziens, 40 km nördlich von Tyrus. Ihre Einwohner und die der Umgebung werden Sidonier genannt.
Mahaleb. wahrscheinlich 8 km nordöstlich von Tyrus an der Mittelmeerküste.
Helba. unbekannte Stadt im Norden Israels.
Rehob. Vielleicht Tell el-Balat, 19 km südöstlich von Tyrus.

[33]: Bet-Anat. Stadt im oberen Galiläa, 24 km südöstlich von Tyrus.
[34]: Amoriter. Bewohner des Landes Kanaan. Amoriter kann sowohl für einen einzelnen Stamm als auch für alle Bewohner Kanaans stehen. Es waren semitische Einwanderer aus der Arabischen Wüste, die um 2000 v.Chr. ins Kulturland eindrangen.
zurückgedrängt. Das führte später zur Wanderung der Daniten nach Lajisch, siehe Richter 18.

[35]: Har-Heres. Sonnenberg, vielleicht mit Bet-Schemesch identisch.
[36]: Skorpionensteige. Die genaue Lage ist unbekannt. Vielleicht 32 km südwestlich von der Südspitze des Toten Meeres.
Sela. Edomitische Festung 37 km südöstlich von der Südspitze des Toten Meeres.





  















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